Der arme Reiter – (k)ein Geschenk zum Weihnachtsfest 2013

Wie mit der „Beseitigung“ des Reiterstandbilds in einer Nacht- und Nebelaktion am (für Christen) heiligen Weihnachtsfeiertag des vergangenen Jahres in Windhoek, der Hauptstadt Namibias, verfahren wurde sagt viel aus über die politische Reife der für diese Tat Zuständigen in der namibischen Regierung. Man kann von dem Schutztruppler hoch zu Ross denken, was man will, ein solches Schicksal durch die Hände ostasiatischer Bauarbeiter einer ostasiatischen Baufirma, das hat er nicht verdient. Zumal das Denkmal ja schon einige Jahre vorher vom alten, originalen Platz entfernt worden war. Nun hatte es neben der Eingangstreppe zur Alten Feste, die als Museum gestaltet werden soll seinen Platz gefunden. Das war nach gütlicher Absprache mit allen Beteiligten geschehen. Der Deutsche Kulturrat in Namibia und viele am Erhalt des Reiterdenkmals Interessierte haben damals die Kosten dafür aus eigener Tasche gezahlt. Der Status eines „Monuments“ war inzwischen dem Denkmal aberkannt worden. Eine öffentliche Befragung lief außerdem gerade noch, die wohl als Ergebnis einen erneuten Standortwechsel des Denkmals in den Hof der Alten Feste erbracht hätte.

Warum also dieser hastige, nächtliche Abriss am wichtigsten Feiertag der Christengemeinde? Noch dazu mit nordkoreanischen Arbeitskräften? Und ohne Rücksicht auf Verluste (Schäden am Standbild und beiden Gedenkplatten – der gefallenen Deutschen und Hereo)? Und Verbringung und „Beerdigung“ des zerstörten Felssteinsockels auf einer Müllkippe? Warum polizeilich überwachte Absperrungen der Zufahrtsstraßen zur Christuskirche, sodass alte Leute und Behinderte nur zu Fuß und im Rollstuhl beschwerlich zu den Weihnachtsgottesdiensten gelangten? Warum die polizeiliche, nachdrückliche Forderung der Herausgabe von Kameraspeicherkarten bei denen, die diese Aktion fotografiert haben? Das sind viele Fragen, die bisher von der namibischen Regierung noch nicht beantwortet worden sind. Man kann gespannt sein.

Rückblick: Im Buch „Nationale Denkmäler in Namibia“ von Andreas Vogt wird das Reiterstandbild in der Liste der nationalen Denkmäler mit Nr. 45 als „Reiterdenkmal“ (Datum der Proklamation 02.01.1969, Bekanntmachung 1, Amtsblatt 2951) aufgeführt. Es war Bestandteil des historischen Stadtkerns von Windhoek. Das Denkmal stammt vom Bildhauer Adolf Kürle aus Berlin, wurde in der Berliner Gießerei Gladbeck gegossen, erreichte 1911 Swakopmund und wurde am 27. Januar 1912 in Windhoek eingeweiht. Es stand auf der großen Wiese vor der Alten Feste.

Als ich das Denkmal dort 1992 bei meinem ersten Besuch sah, diesen großen Reiter auf seinem stolzen Pferd, mit aufgestütztem Gewehr, in die Ferne blickend, war mein erstes Empfinden Ablehnung. Ich fand dieses Reiterstandbild dort, wo es stand unpassend für das gerade unabhängig gewordene Namibia und dachte damals, dass es in einem Museum besser aufgehoben wäre; denn es ist in der Tat ein – wenn auch ein recht kriegerisch wirkendes – Kunstwerk. So dominant über die wachsende Hauptstadt des jungen Staates Namibia blickend – das empfand ich als unzeitgemäß. Es gab keine „Schutztruppe“ und auch keine deutsche Kolonie mehr. Das Denkmal war auch nicht irgendeiner Armee gewidmet, die das Land befreit hat. Meine Einstellung dazu ist meiner jahrzehntelangen Arbeit in afrikanischen Ländern seit ihrer Unabhängigkeit und intensiven Auseinandersetzung mit ihrer Geschichte zuzuschreiben. Ich blicke dabei nicht nur auf die Einflüsse und Ergebnisse der Kolonialisierung in einem einzigen afrikanischen Land, sondern betrachte die fatale koloniale „Aufteilung“ des ganzen Kontinents (Berlin Konferenz 19. Jhdt.) mit den mit dem Lineal gezogenen Grenzen quer durch ethnisch zusammenhängende Gebiete, die heute noch immer zu blutigen Auseinandersetzungen und Lokalkriegen führen.

Das neue Miteinander Deutschstämmiger und Eingeborener im unabhängigen Namibia brauchte nach meiner Auffassung ein solches Denkmal nicht mehr an dieser markanten Stelle. Es war dort zum beliebten Fotostopp für Touristen geworden. Damals wusste ich noch nicht, dass auch die „neuen“ namibischen Herrscher dem Personenkult anheimfallen würden wie so viele afrikanische Diktatoren und „Führer“ und zwar soweit, dass sie sich von Ostasiaten Paläste, Gedenkstätten und ein monströses Unabhängigkeitsmuseum entwerfen und bauen ließen, komplett made in – und vermutlich auch bezahlt von China und Nordkorea, als ob es in Namibia keine Architekten und eigenen Baufirmen für solche Bauvorhaben gibt. Eine solche Entwicklung hatte ich bei meinem ersten Blick auf das Reiterstandbild 1992 noch nicht geahnt. Dass auch in Namibia die Schere zwischen arm und reich sich immer weiter öffnet aufgrund des Fehlverhaltens der politischen Elite des Landes, ist mir jetzt erst richtig klar geworden. Die Staatspartei (SWAPO) und Regierung des Landes entfernen sich immer weiter von der eigenen Bevölkerung. Sie wollen oder können deren Bedürfnisse nicht mehr erkennen. Die nächtliche Entfernung eines für sie störenden Denkmals durch Ausländer passt genau in das Schema des Verhaltens vieler Regierungen unabhängiger afrikanischer Staaten. Namibia, das für mich bisher zu den hoffnungsvollen afrikanischen Ländern gehörte, in dem alle unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen in den Entwicklungsprozess des Landes mit einbezogen werden, reiht sich nun ein die Reihe afrikanischer Entwicklungsländer, die so, wie es gegenwärtig aussieht abhängig bleiben werden von externer Entwicklungshilfe und die in jeder Kritik an ihrer Regierung „neokolonialistische Gelüste“ der Geberländer sehen. Der nächtliche „Reitersturz“ (der Informationsminister Joel Kaapanda will von der ganzen Sache nichts gewusst haben – „er sei gar nicht in Windhoek gewesen“ – und das im Handy Zeitalter! – siehe Allgemeine Zeitung, Windhoek, vom 27.12.2013) ist, so gesehen, leider wohl eine afrikanische „Normalität“.

Nun tut mir der Reiter irgendwie leid. Meinen letzten Blick auf ihn hatte ich 2011 von der Alten Feste aus mit dem nun dahinter aufragenden Architekturmonstrum (das Namibier schon „Kaffeemaschine“ getauft haben) des Unabhängigkeitsmuseums. Das wird nun sicherlich auch (vielleicht aus anderen Gründen) ein beliebter Fotostopp für Touristen werden.

Reiterstandbild in der Alten Feste (von Stefan Fischer (AZ),14. Januar 2014

Reiterstandbild in der Alten Feste (von Stefan Fischer (AZ),14. Januar 2014

Mein Dank geht an die Redaktion der AZ für die Verwendung des Reiterfotos von Herrn Stefan Fischer als Beitragsbild.

15. Januar 2014

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