Das Latrinenbauprogramm

In den Achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts wurde in Zimbabwe gleich nach der Unabhängigkeit des Landes ein großangelegtes Programm zur verbesserten Trinkwasserversorgung und sanitären Entsorgung in ländlichen Gegenden geplant und umgesetzt. Während des 16-jährigen Bürgerkrieges in Mozambique zwischen Frelimo- und Renamo-Anhängern gelangte mit den Flüchtlingen aus dem Nachbarland auch die Cholera nach Zimbabwe. Um diese, durch menschliche Fäkalien übertragene Krankheit einzudämmen, erhielt insbesondere das Latrinenbauprogramm des zimbabwischen Gesundheitsministeriums höchste Priorität. Viele ausländische Entwicklungshilfeorganisationen gewährten Zimbabwe Unterstützung dafür. Auch die GTZ beteiligte sich daran. Der Bau von einfachen Wasserpumpen und verbesserten Latrinen wurde zum Bestandteil von ländlichen Entwicklungsprogrammen, für die finanzielle und technische Unterstützung bereitgestellt wurden.

Peter Morgan entwickelte 1973 im Blair Research Institute (heute „National Institute of Health Research“ im Gesundheitsministerium in Zimbabwe) die sogenannte „Blair Ventilated Improved Pit Latrine“. Die „Blair VIP“ wurde nach Dr. Dyson Blair benannt, der im gleichnamigen Institut die Forschungen im Bereich ländlicher sanitärer Entsorgung inspiriert hatte. Das System dieser Latrine basiert auf der Nutzung natürlicher Luftströmungen. Eine, je nach Bedarf unterschiedlich tief ausgeschachtete, kreisförmige oder rechteckige und befestigte Grube wird mit einer Betonplatte abgedeckt, die mit einer Öffnung versehen ist, ähnlich wie ein Hockklo. Darüber entsteht ein schneckenförmiger Überbau, der mit einem Flachdach oder Strohdach überdeckt wird, sodass das Innere der Latrine abgedunkelt ist. Aus der Grube reicht durch eine weitere Öffnung in der Abdeckplatte hinter dem größeren Loch ein PVC-Ventilationsrohr, das außen an der Latrinenwand verankert wird (oder aber ein wie ein Schornstein gemauerter Abzug) bis über das Dach hinaus und wird mit Fliegendraht dicht verschlossen. Fliegen, die in die Grube gelangen werden durch das vom ins Rohr einfallenden Licht angezogen und gelangen durch den Luftzug darin nach oben. Dort können sie nicht entkommen und sterben ab. Fliegen, die mit menschlichen Fäkalien in Berührung kommen, sind in der Hauptsache Überträger der Cholera. Durch das Abzugsrohr entweichen außerdem auch die in der Grube entstehenden Gase, sodass sauber gehaltene Latrinen in der Regel geruchsfrei sind.

Um die betroffenen Menschen in das Bauprogramm mit einzubeziehen, wurden sie mit Hilfe einfacher Bauanleitungen zum Eigenbau der Latrinen befähigt (siehe Bauanleitung vom Blair Research Institute). Dafür wurden ihnen die benötigten Baustoffe zugeteilt, aus denen sie die Boden- und Dachplatten, sowie die Mauersteine (bei gemauerten Latrinen) selbst herstellen konnten. Eine solche Latrine zu besitzen war nicht nur lebenswichtig, sondern „cool“. So jedenfalls wurde es mir bei meinen Besuchen im Land von den Betroffenen vermittelt. Ich habe bei jeder Dienstreise nach Zimbabwe in Dörfern, wenn ich mal „musste“ VIP Latrinen ohne zu zögern benutzt, die mir stets von freundlichen Eigentümern angeboten wurden. Überall hingen kleine Eimer mit Holzkohlenasche und einem Handbesen zum Beseitigen eventueller „Überreste“ und Krüge mit Wasser zum Händewaschen nach der Verrichtung an den Innenwänden der Latrinen.

Wie lebenswichtig das damalige Programm wirklich war, zeigte sich dann 2008, als erneut die Cholera in Zimbabwe ausbrach, und viele Menschen starben. Die vorherige Begeisterung, sich eine eigene Latrine zu bauen, hatte zu der Zeit leider erheblich nachgelassen. Die Regierung des Robert Mugabe enteignete und „umverteilte“ lieber kommerzielle Farmen, als sich um die ländliche Bevölkerung zu kümmern und war außerdem pleite. Die eigene Währung, der Zim Dollar war „demonetised“ worden (so wird eine Währung bezeichnet, die ihren Status als gesetzmäßiges Zahlungsmittel verliert). Jetzt wird mit US $ (!) kalkuliert und bezahlt. In einer UNICEF Untersuchung wurde 2011 festgestellt, dass immer noch 42% der ländlichen Haushalte in Zimbabwe keine eigenen Latrinen haben und „ihr Geschäft“ im Busch verrichten. Vorher waren in Zimbabwe über die Jahre weit über 500.000 solcher Blair VIPs gebaut worden. Wie viele es heute sind entzieht sich meiner Kenntnis.

Größen und Anordnungen der Latrinen können variieren, sowie auch die benutzten Baustoffe. Mit dem Latrinenbau zusammen hat Zimbabwe damals ein ebenfalls breit angelegtes und sehr wirkungsvolles Aufklärungs- und Erziehungsprogramm initiiert und mit der Trinkwasserversorgung auf dem Land verbunden. Eine einfach zu bedienende Handwasserpumpe („Zimbabwe Bush Pump“) wurde 1933 entwickelt von Tommy Murgatroyd, einem Wasser Wirtschafter im Matabeleland im Westen Zimbabwes, dann in den 1960ern von Cecil Andersen, einem Ingenieur im damaligen Ministry of Water verbessert und schließlich nach der Unabhängigkeit noch weiter modernisiert und ist heute die am meisten verwendete Handwasserpumpe im Land.

Die VIP-Latrinenbauart ist in der Zwischenzeit weit verbreitet, sowohl in Afrika, als auch in anderen Entwicklungsländern weltweit und wird auch fast überall mit Programmen im Bereich Gesundheitsvorsorge und der Trinkwasserversorgung verbunden. Fast zeitgleich mit der Forschung im Blair Research Institute in Harare in den 1980ern entwickelte die Abteilung für „Environmental Science“ in der Bauingenieurfakultät der Universität in Kumasi in Ghana einen ähnlichen VIP-Latrinentyp als Gruppentoilette, nicht nur für ländliche, sondern auch für kleinstädtische Ansiedlungen und Schulen.

Peter Morgan wurde für seine herausragende Arbeit im September 2013 in Schweden der „2013 Stockholm Water Prize“ verliehen. Er selbst beschäftigt sich weiterhin mit verbesserten Möglichkeiten für die Entwicklung von einfachen sanitären Entsorgungssystemen, die Urin von Fäkalien trennen, oder auch von Kompostlatrinen, vor allem bei größeren Anlagen, wo mit organischen Küchenabfällen und Asche gemischte Fäkalien in ein bis zu zwei Jahren zu Kompost werden, der auf kleinen Gemüsefarmen genutzt werden kann. Eine VIP Latrinengrube hingegen ist normalerweise (abhängig von der Bodenbeschaffenheit) in 10 und 15 Jahren gefüllt. Dann muss sie versetzt und die gefüllte Grube versiegelt werden. Größere Anlagen (z.B. in Schulen) können auch dazu benutzt werden Biogas zu erzeugen.

Einige der unten aufgeführten Veröffentlichungen und Power Point Präsentationen folgen als PDF Dateien zum Herunterladen. Über die VIP Latrinen und „Zimbabwe Bush Pump“ gibt es Literaturangaben und im Text ebenfalls einige Links zu Internetadressen, wo man sich zusätzlich informieren kann:

  • „A Simple Builder’s Manual“ und „The Blair VIP Toilet“, Peter Morgan, AQUAMOR, 2011;
  • “Ventilated Improved Pit Latrine”, Technical Brief, Practical Action (ehemals ITDG in England);
  • “Teaching ecological sanitation at the Chisungu Primary School, Epworth, Zimbabwe”, Fieldnote, WIN-SA (Water Information Network – South Africa), Nov. 2010;
  • „The Bush Pump – the National Standard Handpump of Zimbabwe“, von Karl Erpf, HNT/SKAT, 1998

cover_blair_vip_latrine_bauanleitungBlair VIP-Latrine Bauanleitung

cover_vip_latrinesDokumentation “Ventilated Improved Pit Latrine”

cover_vip_latrine_upgradeVIP-Latrine Upgrade

cover_builders_maual_vipDetailed Builders Manual Upgradeable VIP Latrine

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