1991: Athen, Samos und Patmos

Athen und die Dodekanes Samos und Patmos vom 14. Juni bis 5. Juli 1991

Die Dodekanes sind eine Inselgruppe in der östlichen Ägäis. Nach Patmos, der in dieser Gruppe südlich von Samos gelegenen Insel mit dem alles überragenden Johanneskloster gibt es Fährverbindungen von Samos aus. Ich wollte Patmos unbedingt besuchen, was mir dann auch endlich 1991 gelungen ist. Die Urlaubsreise führte mich zunächst nach Athen, wo ich am 14. Juni, meinem Ankunftstag (mit dem Flieger aus Frankfurt kommend) nach 27 langen Jahren meinen griechischen Freund Stratos wiedertraf, der mich bei strahlendem Sonnenschein und dem (immer noch) klaren griechischen Licht vom Flughafen abholte. Beide sind wir weißhaarig und um Vieles älter geworden seit unserem letzten, gemeinsamen Inselurlaub 1964. Im Bericht der Reise füge ich meine Skizzen und Fotos gemeinsam in Galerien und als Einzelillustrationen mit ein. 

In Athen überwältigte mich zu allererst die zu einem gigantischen Moloch angewachsene Stadt mit einem unvorstellbaren Verkehrschaos und großer Umweltverschmutzung. Untergebracht hatte Stratos mich im kleinen, sehr gemütlichen Hotel „Hera“ in Spazierdistanz zur Akropolis.

Blick vom Hera Hotel auf die Akropolis, 14.6.1991

Blick vom Hera Hotel auf die Akropolis, 14.6.1991

Meinen ersten Besuch nach 27 Jahren machte ich dort gleich nach meiner Ankunft. Überall zeugten viele Gerüste von Reparaturen der großen Schäden nach dem letzten, heftigen Erdbeben mit gleichzeitiger Beseitigung von zunehmenden Umweltschäden an den Tempeln, vor allem am Parthenon. Der jetzt sehr teure Eintritt ist voll gerechtfertigt. Die Preise sind überall gestiegen, die Freundlichkeit der Griechen jedoch ist die gleiche geblieben. Das empfindet der Gast im Land der Hellenen ja immer als sehr wohltuend.

Abends wälzten wir uns im Auto von Stratos in einer wahren Blechlawine gen Süden zum Abendessen in einer Taverne im Nobelort Vouliagmeni entlang der Straße nach Sounion. Hier hat sich sehr viel verändert, leider nicht zum Guten! Für die Athener begann das Wochenende. Stratos fuhr dann mit mir am Tag darauf (15.6.) nach Sounion, an der Südspitze von Attika. Hier steht der 444 v.Chr. im dorischen Stil erbaute Tempel des Poseidon auf der höchsten Erhebung des Kaps Sounion und ist nach wie vor das Ziel von Tausenden Touristen. Bei unserem Besuch war zufällig das griechische Fernsehen zum Drehen dort. Weil wir sehr früh in Athen losgefahren waren hatten wir großes Glück und konnten den Tempel im warmen Marmorglanz, beschienen von der Morgensonne fast ohne Touristen erleben – das waren wunderschöne, stille Augenblicke, nur unterbrochen von einer ziemlich steifen Brise.

Den Nachmittag verbrachte ich allein mit einem langen Spaziergang durch den ältesten, unterhalb der Akropolis gelegenen Stadtteil Athens, die Plaka. Keine Autos (welch eine Wohltat!), enge Gassen mit schönen alten, im klassizistischen Stil gebauten Häusern, unzähligen Tavernen und viele, byzantinische Kirchen aus dem 11./12. Jahrhundert, die zum Verweilen einladen, wie St. John Theologia. Beim Skizzieren der kleinen byzantinischen Kirche traf ich einen griechischen Studenten der Architektur, der dabei hilft, verschiedene Kirchen in der Plaka zu restaurieren. Er erschloss mir das kleine Kunstwerk aus dem Ende des 11. Jahrhunderts und erklärte mir deren zwar ziemlich verblasste, aber immer noch gut zu erkennenden schönen Fresken.

St. John Theologia in der Plaka, 16.6.1991

St. John Theologia in der Plaka, 16.6.1991

Nach meinem 3-stündigen Rundgang, verbunden mit vielem Treppensteigen kam als krönende Abschluss in einer Taverne griechischer Salat und Moussaka und dazu ein kühler, herber Retsina. So ging ein wunderschöner Tag zu Ende.

Am nächsten Tag, 16.6., war Flohmarkt in Monasteraki. Aber das Geschiebe, Geschubste, Gedränge, Gekreische und Gedudel von unzähligen Plattenspielern war ich bald leid und entschwand in der Agora, wo ich fast allein war. Dort konnten die altehrwürdigen Ruinen, die Reste der alten Straße nach Athen, die Stadtmauer und der durch die Umweltverschmutzung leider auch schon schwarz angelaufene Hephaiston Tempel in Stille erlebt und bewundert werden. Zurück zum Hotel ging es wieder durch die engen Gassen der Plaka abseits vom Verkehr. Viele Katzen, viele Hunde und wo nur sind die Eulen von Athen?

 

Am Spätnachmittag fuhr ich mit Stratos und seiner Frau zusammen nach Marathon über das Penteli Gebirge. Von hier aus hat man eine überwältigende Aussicht auf die Riesenstadt Athen, die in den vergangenen 27 Jahren auf über 5 Millionen Einwohner angewachsen ist (mit 4 Millionen Autos!) und sich wie ein Pfannkuchen ausgebreitet hat. Bei meinem ersten Besuch 1962 waren es gerade mal 500.000 Einwohner! Wilde Ginsterbüsche, Kiefernwälder – kühle und gute Luft im Gebirge – kein Wunder, dass die meisten Athener am Wochenende der Stadt entfliehen. Marathon mit einem sehr schönen Strand wird auch immer größer mit dem Anwachsen der Zahl von Ferien-, Wochenendhäusern und „Alterssitzen“. Auch Stratos ist dabei sich einen solchen zu bauen mit Grundstück, Erschließung, Elektrizitäts- und Wasseranschluss und über 85 m² Wohnfläche für umgerechnet ca. 100.000 DM (Anmerkung: Davon kann man heute nur noch träumen…).

Am 17.6. ging meine Reise von Athen aus weiter mit dem Flugzeug bis nach Samos. Der Flug mit Olympic Airways war pünktlich. Frühes Aufstehen war angesagt. Stratos holte mich um 5 Uhr morgens ab. In Samos kamen wir dann zur gleichen Zeit auf dem Flughafen an, zu der das Schiff nach Patmos aus dem Hafen Pythagorion abfuhr. Die Zeiten so zu arrangieren, dass das Schiff auf das Flugzeug wartet, ist anscheinend nicht hinzukriegen und regt, bis auf einige Touristen (mich eingeschlossen) auch keinen weiter auf. Also hieß es improvisieren und eine Nacht auf Samos einplanen. Eine passende Unterkunft war schnell gefunden im Hotel „Delfini“ in einem winzigen Zimmer mit Bad außerhalb (das störte mich gar nicht) für 25,00 DM mit Frühstück. Alles war sauber und die Gastgeber sehr nett.

Den restlichen Tag verbrachte ich mit dem Aufstieg zum Spiliani Kloster. Dort ist man vom Anblick einer riesigen Kiefer überwältigt, die von einer kleinen Mauer aus Marmorsteinen abgestützt wird. Die Klosterkirche ist eine herrliche Grottenkirche, die tief im Fels liegt und das „Orakel Phyto“ hütet. Von der Felskuppe aus gibt es märchenhafte Ausblicke. Umgeben von der Hitze und dem Duft vieler blühender Wildblumen vergingen die Stunden.

Stützmauer für die Kiefer am Spiliani Kloster in Pythagorion auf Samos, 17.6.1991

Stützmauer für die Kiefer am Spiliani Kloster in Pythagorion auf Samos, 17.6.1991

Ich wanderte danach noch zum Logothetis Kastell vor Pythagorion. Das ist eine alte, aber gut erhaltene Burgruine aus der venezianischen Zeit. In einer kleinen Taverne am Hafen genoss ich mein Abendbrot. Dort befindet sich eine Taverne neben der anderen. Die Auswahl fällt einem schwer. Fischerboote tuckerten hinaus zum Nachtfang. Wieder ging ein schöner Tag zu Ende, begleitet vom Duft eines Sträußchens Jasmin auf dem Tavernen Tisch. Ich beschloss spontan, einen weiteren Tag (den 18.6., meinen Geburtstag) auf Samos zu bleiben und buchte nun den morgendlichen Dampfer am 19.6. nach Patmos, zog aus dem Delfini Hotel aus und, vermittelt durch einen abreisenden Deutschen, bei „Ileni“ in ein herrliches Zimmer mit eigenem, kleinen Innenhof ein. Die Patmos Familie von Stratos, bei der ich ein Zimmer gebucht habe, wurde benachrichtigt. Was nun tun? Ich entschied mich schnell und lieh mir ein Moped. Danach ging es los. Zunächst bis nach Samos-Stadt und in den Nordteil der großen Insel über Kokkari, Avlakia (das sind herrliche Dörfer) bis in die Berge hoch über den Weinterrassen, Pinien- und Zypressenwäldern bis zu einer Perle griechischer Dörfer – Vourliotes. Es war eine wundervolle, von Kieferndüften umwobene Fahrt. Und heiß! In Vourliotes kehrte ich in einer kleinen Taverne zu einer Tasse griechischem Kaffee ein. Viele alte Leute und viele Katzen schauten mir dabei zu. Alles geht hier langsam – wie wohltuend für eine „Kapazitätsplanungsgeschädigte“ – das Miteinander sitzen ohne reden zu müssen, sondern einfach die Stille genießen!

Nach der Rückkehr, einer erfrischenden Dusche und dem Abendessen ging es zu einem Spaziergang im Hafen. Dann habe ich noch eine Weile auf meinem kleinen Innenhof gesessen und geschrieben – Jasmindüfte über allem: Blumentopf, Lampe, Licht – es stimmen hier ganz einfach alle Details. Die Farben erstrahlen je nach Tageszeit in einem andern Licht. Eine einfache rote Geranie kann dann zum flammenden Tiefrot werden. Ich habe mich gleich nach der Rückfahrt von Patmos wieder für zwei Nächte in diesem kleinen Paradies eingebucht.

Bei Ileni auf Samos, 18.6.1991

Bei Ileni auf Samos, 18.6.1991

Am 19.6. ging es dann nach dem Frühstück mit einem kleinen Fährschiff nach Patmos bei Wind und blauem Meer mit weißen Schaumkronen. Heutzutage sausen da „Schnellboote“ hin und her! Nach 2-stündiger Fahrt und einigen grünen Nasen bei verschiedenen Passagieren kamen wir in Skala, dem Hafen von Patmos an. Schon lange vorher hatte ich oben neben der Brücke gestanden und die überwältigend schöne Hafeneinfahrt mit der Stadt Chora und dem Johanneskloster in seiner Mächtigkeit über allem thronend auf einer Bergkuppe, bewundert und dabei doch glatt das Fotografieren vergessen! Bei den Verwandten von Stratos, die mich im Hafen abholten, bin ich sehr schön in einem gemütlichen Zimmer mit eigener, kleiner Terrasse untergebracht. Im Zimmer warteten ein großer Blumenstrauß (Geburtstagsgeschenk von Stratos), frische Pflaumen und ein Kuchen auf mich. Ein Glas kaltes Wasser gab es zur Begrüßung. Dann wurde ausgepackt. Ich richtete mich häuslich ein.

Die Insel Patmos, 1991

Die Insel Patmos, 1991

Danach habe ich mir den Hafenort Skala angesehen. Auch hier dominieren (noch) die typisch griechischen, verschachtelten, wie lauter weiße Zuckerwürfel aussehenden Häuser, die immer regelmäßig (meistens sonnabends) mit Kalkschlemme aufgefrischt werden. Zwischen 14 und 17 Uhr ist Siesta Zeit. Am Hafen hatte ich vorher in einer Taverne gut zu Mittag gespeist. Der erste Aufstieg nach Chora war in der Nachmittagshitze eine echte Anstrengung. Als ich losmarschierte, haben meine Gastgeber nur ihre Köpfe geschüttelt. Außerdem war das Kloster geschlossen. Aber ich wollte unbedingt etwas sehen. Die Stadt Chora ist noch eine in sich geschlossene Einheit mit sehr schönen Häusern aus dem 18. Jhdt. Und beherbergte heute noch, außer dem Kloster, über 50 kleine Kirchen und Kapellen, von denen nur 41 im Stadtplan verzeichnet sind. Wo immer man sich in Chora befindet, man sieht ein Kirchendach mit einem Kreuz. Der Ort ist berühmt, nicht nur des Klosters wegen, sondern auch wegen der Arkaden, mit denen die Häuser miteinander verbunden sind. Dadurch ergeben sich überall sehr interessante Motive mit immer neuen Details, Farben und Formen. Auf einem kleinen Platz vor dem Kloster mit einem Kafenion (nur für Männer, die dort stundenlang, die Perlen ihrer „Rosenkränze“ schnipsend Kaffee trinken) und drei Tavernen „trifft“ man sich. Ich habe mich mit dem Inhaber der Vagelis Taverne sofort angefreundet, der auch das beste Essen anbietet. Wie früher geht man auch hier in die Küche und sucht sich seine Mahlzeit nach dem „in die Töpfe Gucken und Wählen“ System aus. Mit Retsina wurde dann auch der lange Fußmarsch zurück über die steile, alte Straße leicht beschwingt bewältigt!

Es war klar, dass ich hier einen fahrbaren Untersatz brauche. Also lieh ich mir am nächsten Tag (20.6.) einen Honda-Automatic-Motorroller für 10 Tage. Das kostete 130,00 DM und war, so dachte ich jedenfalls, erschwinglich. Es erleichterte mir kolossal das „Strandhüpfen“ und vor allem den Besuch von Chora (hoch und runter) und vor allem das „Inselentdecken“. Ich brauchte nicht einmal meinen Führerschein vorzeigen. Einen Helm bräuchte ich auch nicht, sagte man mir…na ja! Man nimmt es anscheinend (noch) locker hier. Wenn fallen, dann bitte nur nicht in die Disteln. Das war ein wirklich ein sehr guter Rat! Das erste Fahrziel an diesem Tag war gleich am Vormittag die berühmte Kieselsteinbucht Lampi im Norden der Insel. Dorthin geht es über das Städtchen Kampos, das ungefähr auf halber Strecke liegt. Das Meer ist wunderschön in der Lampi Bucht, klar, blau, sauber. Und dann verfällt man in den Kieselsteinsammelrausch. Ach, wie wird der Koffer schwer werden nach Hause mit diesen einmalig schönen, bunten Kullern!

Nach einer guten Fischsuppe zum Mittagessen in der Taverne der Lampi Bucht ging es zurück nach Skala. Eine ausführliche Siesta folgte. Diese wichtige griechische Mittagsruhepause muss ich mir unbedingt angewöhnen. Zweites Fahrziel: Hoch nach Chora.

Von Skala nach Chora, Juni 1991

Von Skala nach Chora, Juni 1991

Heute ist das Kloster geöffnet bis 18 Uhr. Es kamen zwar die geführten Massen von einem Kreuzfahrtschiff (diese laufen Patmos täglich an, darunter wahre Luxusliner), aber ich konnte die klösterliche Stille und Schönheit mit ein paar Popen allein genießen, die mich beim Skizzieren beobachtet hatten und mir die Sakristei mit ihren wunderschönen Ikonen zeigten, mit feinsten Pinselstrichen gemalt, zarte Gesichter, nur das Christuskind trägt in seinem verfallenen Gesicht das ihm später auferlegte Leiden schon zur Schau. Der Tag ging zu Ende mit dem Abendessen bei Vagelis (Lammbraten mit Bohnen) und dazu mein geliebter Retsina.

Am 21.6. schrieb ich Postkarten beim Frühstück in einer Milchbar am Hafen nach einigen Besorgungen in Skala – Post, Obst Einkaufen, usw. Lydia, die Cousine von Stratos hatte einen herrlichen Strauß roter Bougainvillea in mein Zimmer gestellt. Welche Farben! Danach hieß es Badezeug einpacken und zur Agriolivado Bucht vor Kampos fahren. Dort gibt es einen herrlichen Sandstrand. Im klaren Wasser waren viele kleine hin und her flitzende Fischlein, aber keine Seeigel zu sehen, an die ich von meinem letzten Griechenlandbesuch 1964 beim Baden vor Sounion so schlechte Erinnerungen habe. Für 4 DM wurden eine Pritsche und ein Sonnenschirm ausgeliehen, und dann ging es hinein ins kühle Wasser. Es waren nur wenige Menschen hier, nur eine Yacht aus Deutschland ankerte in der Bucht, die ich schon im Hafen von Pythagorion auf Samos gesehen hatte. Zum Mittagessen spazierte ich zu einer oberhalb der Bucht gelegenen, auf Fischgerichte spezialisierten Taverne: Es gab Fischsuppe und dazu einen Schoppen Retsina. Paradiesisch!

Danach wieder Baden und Sonnen: Und Siesta nach der Rückfahrt im Quartier. Am Nachmittag bin ich erst zum Hafen und dann zum Fischerhafen in Skala gefahren und gegen Abend wieder nach Chora, diesmal über Grikos, um den südlichen Inselteil und Chora von Westen aus zu sehen. Das ist ein wunderschöner Anblick, den ich auch gleich skizzierte. Danach bin ich wieder bei Vagelis zum Abendbrot eingekehrt und dabei, wie so oft in Griechenland mit netten Leuten ins Gespräch gekommen.

22.6.: Über Nacht kam ein sehr starker Sturm auf – der gefürchtete „Miltemi“ von Nordosten. Nach dem Frühstück am Hafen besuchte ich zuerst das Kloster der Apokalypse unterhalb des Johannesklosters am Hang, inmitten von Pinien gelegen. Drei Busladungen mit griechischen Pilgern aus Korinth waren schon dort. Das Kloster enthält die dem Heiligen Nikolaus geweihte Felsenkirche mit schönem, ikonenverziertem Holzaltar und der Höhle, in der der Apostel Johannes während seiner Verbannung das Johannesevangelium geschrieben oder diktiert haben soll. Viele Kerzen wurden von den Besuchern angezündet. Auch eine von mir schmückte den großen Lichterkranz. Der Klosterbau aus dem 17. Jahrhundert ist ähnlich dem Johanneskloster wie eine Festung gebaut und dominiert, mit der darüber gelegenen, berühmten Patmosschule den Nordwesthang unterhalb von Chora. 

Auf dem Weg zum Kloster Apokalypse auf Patmos, Juni 1991

Auf dem Weg zum Kloster Apokalypse auf Patmos, Juni 1991

Danach besuchte ich das Kloster Evangelismos, das 1935 bis 1937 auf der Stelle einer ehemaligen Einsiedelei gebaut wurde und viele alte Ikonen aus dem 12. bis 17. Jhdt. besitzt. Es ist ein Nonnenkloster. Ich lieh mir von den Nonnen einen langen Rock, den ich über meiner Jeanshose anzog, damit ich „richtig gekleidet“ war. Hier ist die Kleiderordnung noch sehr strikt. An den Stränden stehen zwar Schilder, die „barbusig Baden“ untersagen, nur hält sich keiner daran, vor allem nicht die Skandinavier. Das Kloster hat einen herrlichen Park. Danach ging es in die Grikos Bucht, wo ich einigermaßen windgeschützt baden konnte.

Die Grikos Bucht auf Patmos, 22.6.1991

Die Grikos Bucht auf Patmos, 22.6.1991

Am Strand war zwar Seetang angehäuft worden durch die starke Dünung, aber es war sehr schön dort. Winddurchrüttelt ging es am Nachmittag erneut nach Chora. Die Entstehung der Stadt ist hervorragend beschrieben im Buch „Griechische traditionelle Architektur; Patmos“. Die Altstadt Chora soll von den Kretern gebaut worden sein, die zur Zeit der türkischen Besetzung Kretas nach Patmos geflüchtet waren. Dem heutigen Besucher bietet sie ein lebendiges Bild byzantinischer Architektur.

 

Ich beschloss daher in den kommenden Tagen einige der schönsten Details der Stadt aufzuzeichnen, um sie nicht nur fotografische festzuhalten. Der Abend endete nach dem Spaziergang mit dem Abendessen bei Vagelis. 

Der nächste Tag (23.6.) begann mit dem Frühstück am Hafen und danach Baden in der Agriolivado Bucht. Es war zwar immer noch recht stürmisch, in der Bucht aber beruhigte es sich gegen Mittag. Nach dem Mittagessen und der danach nun auch von mir eisern eingehaltenen Siesta ging es nach Chora zum Skizzieren. Dabei fallen dem Architektenauge wichtige Details auf, wie zum Beispiel die abgeschrägten Häuserecken an den Kreuzungen. Der Grund der Abschrägung ist dieser: Den Maultieren und Eseln wird an den Ecken der engen Gassen das Abbiegen erleichtert mit ihrer Last, die meistens quer auf ihren Buckeln liegt. Für die älteren Einfassungen von Türen und Fenstern wurde ein granitartiger, grauer Stein aus dem Steinbruch Manolakas auf Patmos verwendet. Später, vor allem bei den im klassizistischen Stil erbauten Häusern wurde beige-gelber Kalkstein dafür genommen. Die Einfassungen heißen „Mandoma“. Häufig wurden in den Sturz Symbole wie das Kreuz eingemeißelt, die das Bauwerk vor dem „bösen Blick“ schützen sollen. Auch das Baujahr oder der Name des Bauherrn wurden eingemeißelt. Bei Fenstereinfassungen findet man zusätzlich auch noch Reliefs.

 

24.6.: Gleich nach dem Frühstück ging es heute wieder zum „Erkunden“ nach Chora. Welche Schätze alter Handwerkskunst sind da zu finden, wenn man sich langsam umsieht! Leider verschwinden sie bei den Um-/Neubauten von vielen Häusern immer mehr. Ich konzentrierte mich nun auf die Eingangstüren mit ihren Beschlägen und den Türklopfern, für die ich eine eigene Galerie zusammenstelle. Zum Johannes Kloster waren Menschenmassen von zwei Kreuzfahrtschiffen hochgekommen. Dennoch konnte ich Ecken und Nischen im Kloster finden, wo die Touristen „schnell durch sind“. Vor allem später in der Stadt Chora, in deren Gassen diese Klosterbesucher mit ihrem engen Zeitprogramm kaum zu finden sind, war ich dann ganz allein mit dem alles durchdringenden Licht, den Düften nach Kiefern und Jasmin und vielen, aber sehr scheuen Katzen. Zum Mittagessen war ich wieder bei Vagelis und traf eine vorher schon kennengelernte nette englische Familie aus Oxford wieder. Die Welt ist auch hier anscheinend klein! Nach der Siesta erkundete ich den Weg zum Joseph Kloster unterhalb von Chora in der Stavrou Bucht. Der gut befahrbare Schotterweg endete allerdings in einem Tuffsteinbruch. Der kleine Fußweg, der von dort in steilen Serpentinen bis zur (geschlossenen) Kirche führt, ist mit Gitter, Stacheldraht und dickem Vorhängeschloss sehr abweisend verrammelt. 

Klosterkirche st. joseph in der Stavrou Bucht, 24.6.1991

Klosterkirche st. joseph in der Stavrou Bucht, 24.6.1991

Danach fuhr ich auf der Schotterpiste weiter bis nach Diakofti und Plaki, von wo aus ein halbstündiger Fußweg bis zum schönsten Strand der Insel, der Psiliamos Bucht führt. Von der Piste aus hat man einen herrlichen Blick zurück nach Chora mit dem Johannes Kloster und über die Grikos Bucht hinüber. Aber der Sturm hatte wieder zugenommen und das Fahren wurde mit den plötzlichen Böen recht gefährlich. Nach Psiliamos wollte ich aber unbedingt nochmal hin. Ich fuhr zurück nach Chora zu Vagelis zum Abendbrot und später noch zu einer Tasse Kaffee mit einem Ouzo hinterher im Hafen von Skala, wo in der Nacht noch zwei Fährschiffe ankamen und wieder abfuhren. Ihr „Abschiedstuten“ bei der Hafenausfahrt war dann schon meine „Bettmusik“. 

Der 25.6. war ein eigenartiger Tag – ich kam nicht so richtig „in die Gänge“! In der Nacht hatte ich nicht gut geschlafen. Der Wind hatte wieder sturmartig zugenommen. Er flaute dann aber morgens etwas ab. Nach dem Frühstück fuhr ich erst zur Post und Bank in Skala. Danach kam Wäschewaschen dran. Dann fuhr ich über Grikos bis zur Chora Abzweigung und dann auf der Schotterpiste, die ich teilweise ja schon am Vortag „erkundet“ hatte bis nach Diakofti und Plaki, stellte den Motorroller unter einem Schatten spendenden Baum ab und marschierte auf einem Ziegen- und Eselspfad ca. 40 Minuten lang bergab bis zur Psiliamos Bucht. Trotz dem immer wieder stark pustenden Wind war das ein zwar anstrengendes, aber herrliches Erlebnis mit einer märchenhaft schönen Badebucht am Ende des Weges als Geschenk. Der Pfad bis zur Bucht führte durch dichte Macchia Vegetation. Wehe, man kommt diesen Distelbüschen zu nahe – die Stacheln tun sehr weh! Unten in der Bucht ist eine kleine Taverne, die per Boot versorgt wird und für das leibliche Wohl der Besucher sorgt. Auf der linken Seite der Bucht tummeln sich einige FKK-Jünger, „topless“ ist am anderen Strand (fast) normal. Der Sandstrand ist wunderschön und mit Tamarisken bewachsen, unter denen man dem Sonnenstich entgehen kann – alles in allem ein kleines Paradies! Der Weg zurück war nur am Anfang durch den Aufstieg auf 150 m Höhe beschwerlich. Die See war tiefblau mit vielen weißen Schaumkronen.

 

Der Abend verging gemütlich am Hafen – gucken, bis die Augen müde wurden…Nun reihen sich die Tage aneinander wie eine Perlenschnur, aber sie vergehen viel zu schnell…Den Vormittag vom 26.6. verbrachte ich bis mittags in der Agriolivado Bucht zum Baden und Skizzieren, nachdem ich  zunächst versucht hatte, von Kampos aus die Wege zu verschiedenen Badebuchten an der Nordwestseite der Insel auf ihre Befahrbarkeit hin zu prüfen. Der Miltemi hatte sich (fast) ausgepustet, aber man erklärte mir unterwegs, dass die Nord-, Nordwest- und Nordostbuchten durch den Sturm in den vergangenen Tagen voller Seetang und Seeigel seien. Das war das Ende des Versuchs. Das Meer war in der Agriolivado Bucht märchenhaft schön. Ich war die erste Person am Strand und konnte einige Stunden lang die völlig stille Bucht, nur mit Möwen und den zahmen Enten der Pritschenausleiherin zusammen genießen und in der kleinen Taverne oberhalb der Bucht zu Mittag essen.

In der Agriolivado Bucht, 26.6.1991

In der Agriolivado Bucht, 26.6.1991

Nach der Siesta „Zuhause“ ging es erneut nach Chora. Immer wieder entdecke ich dort neue, interessante Dinge. Heute konzentrierte ich mich auf die unterschiedlichen Schornsteine, die meistens aus gebranntem Ton (echte Töpfereikunstwerke) hergestellt oder aus Lehm gebaut und mit Tonziegeln abgedeckt sind. Beim Durchstreifen von Chora fand ich fand ich auch wieder sehr schöne Fenster- und Tür-Sturzsteine.

 

So beschloss ich an weiteren Spätnachmittagen zum Skizzieren in den Gassen, die die unterschiedlichen Höhen überwinden nach Chora zu kommen. Am 27. Juni war der Sturm über Nacht mit Macht zurückgekehrt. Ich gab den Plan, nochmal nach Psiliamos zu fahren/laufen nach den ersten „böigen“ Kilometern auf. Anstelle mobiler Fahrt besann ich mich meiner Füße und durchstreifte den ganzen Vormittag Skala und Umgebung. Mit einer sehr netten Mitarbeiterin im Touristen-Informationsbüro verabredete ich für den nächsten Tag eine Privatfahrt zur Einsiedelei Agia Apollon in der Thermia Bucht, vorausgesetzt der Sturm lässt nach. Ich möchte in der kleinen Kirche dort eine alte, auf russische Malkunst zurückgehende Ikone ansehen und in der Einsiedelei skizzieren. Am Nachmittag nach der Siesta ging es wieder hoch nach Chora. Diese spätnachmittäglichen Wanderungen durch/über die vielen Wege/Gassen/Treppen/Stock und Stein gehören jetzt ganz einfach mit zu meinem Urlaub.

Jede Menge Stufen, Chora, 27.6.1991

Jede Menge Stufen, Chora, 27.6.1991

Unterhalb des Johannes Klosters gibt es einen Weg, der fast um das ganze Kloster herumgeht. Große Kiefern und Tamarisken beschatten ihn. Man wandelt durch den so typischen Harz-Duft, der bei der Hitze über allem liegt. Auf Schritt und Tritt sieht das Auge wieder interessante Details. Dieses Wandeln durch Chora bedeutet aber auch eine endlose Stufenreihe runter-, dann wieder hochsteigen und zwischendrin die ganzen Querverbindungen ablaufen. Ich glaube durch die Weststadt war ich fast durch. Aber auch hier entdecke ich immer wieder neue Dinge und sage mir: morgen komme ich wieder und zeichne dieses Detail oder diese Ecke.

 

Meine Filzstifte trocknen langsam aus. Also ist so und so bald Schluss – leider. Und dabei gibt es noch so viel zum „Festhalten“. Es wurde wieder sehr windig und auch frisch. Ich beendete den Abend windgeschützt bei Vagelis. Dort traf ich beim Abendbrot sehr nette deutsche Gäste. Wir genossen unseren Retsina bei guten Gesprächen. Nach dem Frühstück am Hafen in Skala gab es am 28.6. einige Dinge zu erledigen: Geld holen in der Bank, Karten und einige Briefe einstecken in der Post, Filme kaufen und zum Touristik Büro, um die Fahrt zur Einsiedelei zu buchen für den 29.6. oder 30.6. – das machen wir vom Wetter abhängig. Das Boot zum Hin- und Herfahren ist schon besorgt. Es ist das gleiche, das auch regelmäßig in die Psiliamos Bucht fährt. Dort verbrachte ich einen herrlich faulen, und vor allem windgeschützten Tag am Strand. Hier war das Meer still, tiefblau in der Ferne, am Strand in der Bucht türkisfarben. Spätnachmittags spazierte ich zu Fuß hoch nach Chora. Ich habe den Motorroller bereits wegen dem anhaltenden Wind abgegeben und bin nun auf meine eigenen Füße angewiesen. In der Nachmittagshitze war der Marsch hoch ganz schön anstrengend. Der Wind flaute jedoch etwas ab. Später bei Vagelis habe ich wieder nette Deutsche getroffen. Vorher war ein nahezu rot-orangen leuchtender Vollmond aufgegangen. Das war ein fantastischer Anblick im Hafen von Skala mit einem dort ankernden, riesigen 2-Master Segelschiff, das unter griechischer Flagge fährt, im Vordergrund. Nur hatte ich keine Kamera dabei – wieder einmal! Toller Tagesabschluss!

Der 29.6.: Nach einigen organisatorischen Schwierigkeiten war es dann endlich vormittags soweit. Wir fuhren mit unserem gebuchten kleinen Boot zunächst zur Kampos Bucht, um die Frau des Popen Nikolaus abzuholen. Sie hatte den Schlüssel zur Einsiedelei des Mönchs Apollo in der Thermia Bucht. Die Fahrt dorthin war allein schon ein Erlebnis. Von der Kampos Bucht aus ging es entlang der Küste um die kleinen Inseln Georgiou und Kentronisi herum. Dann an der östlichsten Spitze von Patmos herum bis zur Thermia Bucht. Der vulkanische Ursprung der Inseln kam bei dieser Fahrt besonders klar zum Ausdruck. Das Boot tuckerte langsam genug, um in Ruhe die unterschiedlichsten Lavaformationen studieren zu können. Auf den kleinen Inseln nisteten viele Seevögel. Kormorane boten eine tolle Silhouette auf Lavaspitzen. In dem Vulkangestein sind unzählige Löcher, Höhlen – Schlafstätten für Bergziegen, die den Sommer über auf die unbewohnten Inseln gebracht werden. Schon von weitem konnten wir die Einsiedelei sehen: Kleine, weiße Gebäude und eine von Steinmauern umgebene grüne Insel in der felsigen Bucht. Unsere „Schlüsselfrau“ öffnete dieses kleine Paradies, setzte Weihrauch in Gang und zündete in der kleinen Allerheiligenkirche eine Öllampe an. Wir anderen zündeten dann alle Kerzen an für unsere Lieben zum stillen Gedenken. Ich bewunderte in der Kirche die herrlichen alten Ikonen, darunter eine ganz alte, die der russischen Ikonografie zugeordnet wird. Die Einsiedelei wurde Anfang des 19. Jahrhunderts errichtet, hat eine eigene Quelle und einen sehr schönen Garten voller blühender Büsche, Kakteen und anderer Sukkulenten. Früher gab es hier auch Terrassen, auf denen Gemüse angebaut wurde.

 

Durch die Form der Bucht entstand hier ein kleiner, natürlicher Hafen und insgesamt ein kleines Paradies, das allerdings, bis auf die wenigen Besuche interessierter Touristen etwas vernachlässigt wird, leider. Petros, unser Kapitän brachte die kleine Wasserpumpe in der Einsiedelei in Gang, und begann dann alle Blumen und Büsche ausführlich zu gießen und füllte danach noch die Zisterne und alle Wassertanks aus der Quelle. Wir wurden von unserer „Schlüsselfrau“ mit Saft und Kaffee erfrischt. Brot und Kuchen für ein kleines Picknick hatten wir mitgenommen und teilten es unter uns auf. Dieser schöne Tag ging dann abends bei Vagelis in Chora zu Ende mit dem Abendbrot und Retsina. Ich hatte mich mit einem Taxi hochbringen und wanderte zu Fuß im Dunklen, nur beleuchtet vom orangefarbenen, nun abnehmenden Mond wieder nach Skala zurück. Im Hafen erlebte ich bei einem Glas Ouzo noch die Ankunft und Abfahrt der Fähre von Piräus nach Rhodos. Erst gegen Mitternacht fiel ich todmüde ins Bett.

Abschied von Chora auf Patmos, 30.6.1991

Abschied von Chora auf Patmos, 30.6.1991

Der 30.6. war mein letzter Tag auf Patmos wurde zunächst noch einmal ein fauler Badetag in der Agriolivado Bucht. Es ist sehr heiß geworden, und die Luftfeuchtigkeit war sehr hoch. Am Abend vom Vortag hatte ich zum ersten Mal Nebelbänke über das Johannes Kloster rollen sehen, das war ein seltener Anblick. Da das Kloster nachts beleuchtet wird, sah das echt gespenstisch aus. Die See war spiegelglatt wie ein Brett. Und so klar, dass man beim Schwimmen die Fischer unter sich hin und her huschen sieht. Bei meiner Ankunft war das Meer noch recht kühl. Jetzt sind die oberen Wasserschichten erwärmt. Es ist paradiesisch, sich ganz einfach auf dem Rücken liegend dahintreiben zu lassen. Ich sog diesen letzten Tag auf Patmos förmlich in mich hinein. In die Bucht bin mit einem Taxiboot gefahren, zurück wollte ich eigentlich laufen, stoppte dann aber doch ein vorüber fahrendes Taxi für ca. 4 DM bis zu meinem Quartier. Dort hieß es dann Badezeug und Haare waschen, Duschen und Siesta. Danach bin ich zum Abschied nehmen nach Chora gelaufen auf dem altehrwürdigen Pflaster der „Direttissima“, dem ziemlich steilen und vor allem steinigen Fußweg. Das war bei der Hitze heute sehr schweißtreibend, aber ich pilgerte ganz bewusst Schritt für Schritt, immer wieder die Ausblicke genießend, den Berg hoch. Dort entdeckte ich wieder einen neuen Weg, mit neuen Details und „Durchblicken“. Noch einmal Abendbrot mit Retsina bei Vagelis. Und danach ging es wieder die alte Straße hinunter nach Skala bei sehr schwerer Luft, mit zeitweisen Nebelschwaden in einer sehr unwirklichen Atmosphäre. Ade, Chora, bis auf bald wieder in nicht allzu weiter Ferne dachte ich und träumte schon davon!

Am 1. Juli waren noch letzte Erledigungen in Skala nach dem Frühstück zu tätigen. Dann wurde gepackt. Lydia und Mimis, die Verwandten von Stratos brachten mich und meinen Koffer dann zum Schiff, das morgens von Samos angekommen war. Der Abschied ist mir schwer gefallen. Ich nahm noch einen kleinen Mittagsimbiss ein in einer Taverne am Hafen, dann ging es aufs Schiff. Noch lange schweifte mein Blick zurück nach Patmos auf die entschwindende Insel. Wir konnten auch die Einsiedelei in der fernen Thermia Bucht vom Schiff aus sehen. Dann traf uns ein steifer Nordwestwind. Der Seegang wurde höher. Die Bugwelle schwappte oft über. Ich hatte einen trockenen Platz auf dem Oberdeck gefunden und überstand so das Schlimmste der andauernden Berg- und Talfahrt zwar stehend, aber trocken. Das Schiff fuhr Zickzack und kam mit einiger Verspätung und vielen Seekranken in Pythagorion auf Samos an. Hier bin ich wieder bei Ileni in der „Nicolas Pension“ untergebracht. Sie erwartete mich schon mit Herzlichkeit und Jasminstrauß. Ein schönes Abendessen in einer Taverne an der Hafenpromenade rundete den Tag ab. Ich spazierte noch bis zum modernen Pythagoras Denkmal (a² + b² = c²) auf der Fischerhafenmole. Er war ein Sohn der Insel.

Das Pythagoras Denkmal in Phytagorion auf Samos, 1.7.1991

Das Pythagoras Denkmal in Phytagorion auf Samos, 1.7.1991

Der Sturm hatte sich wieder beruhigt, und ein klarer Sternenhimmel begleitete die Nacht. Nach dem notwendigen „kleinen“ Wäschewaschen ging es ins Bett. Der Schlaf ließ jedoch lange auf sich warten. Man beginnt zu träumen – wie nahe ist hier die Türkei, für die Griechen Asia Minor… Und dann blickt man im Traum ins Meer, sieht lauter hin und her huschende Fische, Seeigel auf den Felsen im Wasser, schillernde Farben, Bewegung, sanftes Wiegen…

Am nächsten Tag (2. Juli) hatte ich Frühstück am Hafen im Delfini Hotel, danach habe ich mir wieder einen Motorroller geliehen (wieder eine Honda-Automatic). Eigentlich wollte ich ins „Nachtigallental“ bis nach Manolate fahren. Der Nordwestwind war aber wieder aufgekommen und schlug voll auf die Nordseite der Insel, was ich gleich bemerkte, als ich von Pythagorion abfuhr. So ging es zunächst bis Vathy, der Altstadt von Samos. Dort stiefelte und kletterte ich durch die engen Gassen. Viele gut erhaltene Häuser aus dem 19. Jahrhundert sind zu sehen, aber auch viele dem Verfall preisgegebene. Jedoch scheinen auch hier, wie in Chora auf Patmos viele interessierte und betuchte Griechen mit der Sanierung der Häuser und deren Umbau zu Ferienhäusern zu beginnen. Danach fuhr ich quer über die Insel über Mytilini und Hora, zwei typische Bergdörfer, zurück nach Pythagorion. Ich erhielt dabei einen Eindruck von den verheerenden Waldbränden, die auf Samos gewütet haben vor 4 Jahren. Ein großer Teil der berühmten Kiefernwälder waren damals auf Samos verbrannt. Man hat zwar wieder aufgeforstet, ist aber immer noch mit den Aufräum- und Abholzarbeiten beschäftigt.

Der frühe Vormittag vom 3.7. war dem Besuch des Heraion gewidmet. Es muss eine riesige Tempelanlage gewesen sein aus der Zeit des Pythagoras. Eine einzige Säule ist stehengeblieben als Zeuge hellenischer Architektur (dorische und ionische Zeit). Vermischt mit den Ruinen sind spätere römische Bauten, sowie die Reste einer byzantinischen Basilika. Das Gebiet wird heute bezeichnet als „kolona“ nach der allein stehenden Säule. Nach einer abenteuerlichen Fahrt auf einer Steinpiste von Myli nach Koumaradei (wo die berühmte samische Töpfereikunst heute noch betrieben wird) ging es nach Mavratzei. Leider hatte das sehr schöne, am Weg gelegene Kloster des Heiligen Kreuzes (Moni Timiou Stavrou) schon geschlossen. Die Fahrt durch die herrliche Landschaft mit weiten Ausblicken bei guter Fernsicht (Patmos was klar zu sehen) endete mit der Besichtigung des römischen Bades auf dem Rückweg vor Pythagorion. Da mit den Ausgrabungen erst vor einiger Zeit begonnen wurde, ist in den gängigen Samos-Führern noch nichts darüber zu finden. So wollen wir die Aussage von meiner Wirtin Ileni akzeptieren, die behauptet dieses Bad sei von Antonius für Kleopatra gebaut worden, die hier einst „durchreiste“…

 

Mit Fischsuppe und Retsina in einem urigen Restaurant am Hafen ging der schöne Urlaubstag auf Samos zu Ende. 4.7.: Früh aufgestanden – herrlichstes Wetter, klare Sicht, so wie am Vortag. Die Türkei zum Greifen nahe, Patmos in der Ferne klar zu sehen. Abschied von Samos, vom Inselurlaub, von Ileni und meiner schönen Bleibe dort. Taxi zum Flughafen. Pünktlich um 8 Uhr 05 hebt die Boeing 737 der Olympic Airways ab, 40 Minuten später Landung in einem (Gottseidank) nicht zu heißen Athen (und oh Wunder ohne Smog). Der Flug war sehr schön und ging über die Zykladen-Inseln Naxos, Paros und Mykonos. Genau über dem Poseidon Tempel auf Sounion begann die große Landeschleife. Nach Schlange stehen für ein Taxi ging es dann zügig zum Hotel Hera. Dort wurde schnell eingecheckt und dann zur Akropolis aufgestiegen. Von Ruhe und Besinnlichkeit im Angesicht der berühmten Ruinen konnte keine Rede sein – ein wahrer Menschenstrom wälzte sich die Stufen der Propyläen hoch bis zum Parthenon, dem Heiligtum der Hellener.

 

Aber auch hier findet der Suchende stille Inseln inmitten aller Hektik. Da die Akropolis wegen der (versuchten) Beseitigung von Umweltschäden eine Riesenbaustelle ist, durch die der Besucherstrom mittels Absperrungen hindurch geleitet wird, sind überall da, wo Baubuden sind, schattige „Ruheplätze“. Dort fand ich die Details der Dachkonstruktion vom Parthenon Tempel, eine sehr informative Information für den Interessierten. Beim Spaziergang durch die alte Agora Athens mit wenigen Besuchern dort und anschließendem Mittagessen in einer Taverne in der Plaka, ganz in der Nähe vom Turm der Winde, versuchte ich die Urlaubsstimmung ausklingen zu lassen. Insbesondere, um den tobenden Verkehrslärm der Stadt auszuschalten. Noch einmal fütterte ich die Katzen, die bei jeder Tavernen-Mahlzeit dabei sind und wechselte nette Worte mit dem Kellner. Wie sagte doch der alte Photograph mit seiner 95-jährigen Kastenkamera, den ich schon vor 27 Jahren auf der Akropolis getroffen habe: „Die guten Zeiten sind vorüber…“ Das ist wohl leider wahr!

Es folgt eine Galerie der Türen und Beschläge aus der Altstadt Chora auf Patmos.

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