Das Erongo Gebirge und Ameib

Mit meinem Buch „Lebensspuren im Sand und Fels“ habe ich meiner Freundin Waldtraud Kögl 2009 ein Denkmal gesetzt. Sie hat sich aus Altersgründen in den Ruhestand begeben und die Ameib Ranch verkauft. Mit anderen Vorstellungen der neuen Eigentümer über das Management der 14.700 ha großen Gästefarm hat sich dort nun Einiges verändert. Was aber bleibt, ist die einmalig schöne, ja fast überwältigende Landschaft des uralten Gebirges, die Fauna und Flora und, mit den ebenfalls auf dem Gelände der Farm vorhandenen, sehr alten Felszeichnungen der Ureinwohner auch ein besonderer Teil der Kulturgeschichte Namibias.

Ich bin viele Male auf Ameib gewesen und habe den Teil des Erongo Gebirges, an dem Ameib liegt, mit seinen spektakulären Granit-Verwitterungsformen wandernd durchstreift, durchklettert, mich auf dem Hochplateau verlaufen, tolle Naturerlebnisse gehabt und dabei versucht viel Eindrücke in Skizzen oder mit der Kamera festzuhalten. In meinem Vortrag kann ich davon nur einen Bruchteil zeigen. Jede Jahreszeit bringt hier anderes Licht, andere Farben und auch eine andere Vegetation hervor. Selbst nach einem Dutzend Besuchen hat man noch längst nicht alles gesehen.

Geologisch gehört der Erongo (wie auch die Spitzkoppe und der Brandberg) zu der Gruppe der Damara-Gesteinskomplexe (siehe „Namibias faszinierende Geologie“ von Nicole Grünert), die von magmatischem Ursprung sind. Das Erongo-Gebirge hat einen Durchmesser von etwa 40 km. Der Hohenfels westlich von Ameib ist mit 2319 m der höchste Berg. Im Erongo findet man nicht nur Granite in allen möglichen Verwitterungsformen – von den „Wollsack“- Granitblöcken bei der Bull’s Party auf Ameib, über die Desquamation von Granitkörpern, dem Kernsprung bis hin zu Granitwannen und Polygonstrukturen auf den Granitoberflächen, sondern auch vulkanische Gesteine. Nicole Grünert bezeichnet den Erongo als „Vulkanruine“, in der man alle magmatischen Stockwerke sehen kann (Basaltbänke, Ascheschichten, usw.). Typisch für die Ameib Granite sind außerdem die vielen Pegmatit-Gänge mit schwarzem Turmalin. Außer Turmalin gibt es im Erongo Granit auch andere Halbedelsteine wie Aquamarin, Topas und schöne Quarzkristalle. Die verführen sogenannte „Klippensammler“ dazu, das im Naturreservat Erongo geltende Verbot kristalline Stufen abzubauen zu umgehen und nach diesen Mineralien zu suchen. Sie nehmen dabei keine Rücksicht auf die Umwelt, übernachten in den Felsen, machen Feuer, wildern und hinterlassen zerstörte Gesteine.

Auf meiner ersten Namibia Reise und dem ersten Besuch auf Ameib 1992 kam ich aus dem Staunen nicht heraus, als ich die griffigen Granitplatten vom sogenannten „Hausberg“ hinter der Gästefarm hinauf kletterte, um auf das Hochplateau zu gelangen. Von dort oben hat man einen fantastischen Ausblick auf die Umgebung bis auf die Spitzkoppe und Pontokberge in der Ferne und kann an einigen Stellen die Basaltbänke und Ascheschichten am Kraterrand des Erongo gut sehen. Ich habe viel Zeit dort oben verbracht und mich auch sehr lange umgesehen. Dabei habe ich mich verlaufen. Der Begleithund der Farm, der von Ameib aus mitgekommen war, hatte sich schon lange auf den Heimweg begeben. Es hat sehr lange gedauert, bis ich einen günstigen Abstieg aus dem Felsgewirr fand. Aber von diesem Augenblick an stand fest, hier komme ich nochmal her. Und das ist dann auch oft geschehen und führte letztendlich dazu, meine Erlebnisse und die vieler Gäste auf Ameib nieder zu schreiben.

1992 feierte ich meinen 60sten Geburtstag im Erongo. Da war es trocken und eigentlich noch Winterzeit. Es hatte in den Jahren zuvor nicht viel geregnet. Die beherrschenden Farben waren gelb und braun. Aber mich störte das nicht, denn über allem wölbte sich ein herrlich blauer Himmel, die Sonne schien und erwärmte Mensch und Tier. Bis Ostern 1993 (mein zweiter Namibia Besuch) war eine verhältnismäßig gute Regenzeit zu Ende gegangen.

In allen Jahren danach, bis auf meinen letzten Besuch im Juli 2011 war ich während der Regenzeit auf Ameib. Vor allem von 2004 an bis 2007 ist sehr viel Regen gefallen. Im Wüstenland Namibia ist Regen ganz besonders wichtig. Man misst ihn in Millimetern und berichtet über die gefallenen Tagesmengen (Regenfälle und Wasserstände) in der deutschsprachigen „Allgemeinen Zeitung“ (AZ). Die Weide stand überall hoch. In den Granitwannen, die voller Wasser waren spiegelten sich die Felsen und in einigen blühten winzige rosaweiße Orchideen (Chamaegigia), die man „die unerschrockenen kleinen Riesen“ nennt. Dazu kamen hell leuchtende, zinnoberrote Feuerlilien. Aus den Felspalten wuchsen große Büschel Crinum Lilien in sattem Rosa heraus, die auch in den vielen kleinen Trockenflüssen nach den ersten Regenfällen plötzlich zu sprießen anfingen. Es war eine Zeit des Überflusses an Farben und Düften. Zum Gelb der vorher trockenen Vegetation und dem hellen und rötlichen Braun der Felsen war das Grün der Büsche und Bäume hinzugekommen. Alle Akazien begannen zu blühen und auch die Moringa Bäume, deren Blüten einen süßen Vanilleduft verbreiteten. Überall summten und brummten Tausende von Insekten, Bienen und Käfern, die sich an den Blüten sättigten.

Die von meiner Freundin in den Endachtziger Jahren des letzten Jahrhunderts auf ihrer Farm wiedereingeführten endemischen Giraffen haben sich tüchtig vermehrt. Sogar der alte Giraffenmann lebte noch bei meinem letzten Besuch. Porky, den halb zahmen Warzenschweineber habe ich in meinem ersten Jahr auf Ameib mit einer Kollegin zusammen erlebt. Er hat uns überall hin verfolgt beim Wandern. Ich  hatte dummerweise vergessen, Äpfel für ihn mitzunehmen, die er als „Wege Zoll“ ziemlich unfreundlich an den Hosentaschen stupsend von uns verlangte. Bis wir ihn endlich los wurden, verging eine Weile. Er hatte glücklicherweise andere Wanderer entdeckt. Auch Charly, der Hartmannzebrahengst hatte sich wieder mit einer somalischen Eselin eingelassen, und ein neues „Zesel“ hatte das Licht der Welt erblickt. Im feuchten Rivier unterhalb der Philipps Grotte sah ich Leopardenspuren und die Überreste von einem großen Kudu. Paviangruppen begleiteten viele meiner Wanderungen. Weder der großen Wildkatze, noch den Affen wollte ich näher kommen. Ich suchte mir daher immer Plätze zum Skizzen und Ausruhen, von denen aus ich einen guten Überblick hatte über meine Umgebung, um nicht „überrascht“ zu werden. Mit Schlangen hatte ich keine Erlebnisse. Von denen, die mir begegneten, sah ich meistens nur das Schwanzende, so schnell waren die weg.

Wir haben mit dem Auto das Erongo Gebirge einmal umrundet. Von der Tour sind wir allerdings mit großer Mühe und Not wieder zurückgekommen, denn ein Gewitter hatte die Riviere (Trockenflüsse) ansteigen lassen, sodass wir es gerade noch geschafft haben durch den Ameib Fluss durch zu kommen. Wenn es stark regnet, kann es passieren, dass die Trockenflüsse „abkommen“. Dann ist Schluss mit lustig. Ameib war öfter abgeschnitten. Notfallversorgung geht dann nur noch per Luft. Die meisten Gästefarmen im Erongo haben eigene kleine Flugfelder.

Wenn es Abend wird im Gebirge, die Luft klar ist, das Gesumme der Insekten und Gekreische der kleinen Rosen Papageien (mit dem schönen englischen Namen „rosyfaced lovebirds“) verstummt und auch kein Esel mehr ruft, geht die Sonne wie ein großer roter Ball unter. Noch lange bleibt das Himmelsgewölbe über einem dunkelrot, bis es Nacht wird und der Himmel voller Diamanten hängt – mit dem großen und klaren Kreuz des Südens. Einen solchen Sternenhimmel wie den in Namibia habe ich nirgendwo sonst gesehen. Das sind Augenblicke, die man nie vergisst. Beim letzten Besuch im Juli 2011 habe ich Abschied genommen von diesem einzigartigen Naturwunder. Ich werde nicht noch einmal nach Namibia reisen können. Darum möchte ich anregen, dass Sie sich auf die Reise dorthin begeben, wenn Ihnen diese Fotos gefallen haben.

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