Die siebte Reise in die Dolomiten vom 16. bis 26. September 1990

Bei meinem siebten Dolomiten Urlaub wurde ich von meiner Nichte begleitet. Ein Jahr voller unvergesslicher Ereignisse lag hinter uns. Die DDR gibt es nicht mehr. Nach der friedlichen Revolution „Wir sind das Volk“ ist Deutschland wieder „ein einig“ Vaterland geworden. Ich konnte es immer noch nicht so richtig fassen, hatte mich aber gleich nach der Wiedervereinigung im Inneren schon auf einen Umzug zurück in meine Heimatstadt Magdeburg eingestellt, diesen dann auch langsam vorbereitet und durchgeführt. Ab Dezember 1994 war ich wieder „Zuhause“.

Für meine Nichte waren die Dolomiten totales „Neuland“. Ich war sehr glücklich ihr diese einzigartige Bergwelt zeigen zu können. Wir haben unsere Reise zum Abschluss noch mit einem Abstecher nach Österreich ins Gschnitz Tal verbunden, wo der Sohn von meinen Bekannten, der im „Uridl“ Hotel in St. Christina gearbeitet hatte, in der Zwischenzeit einen eigenen Gasthof übernommen hatet mit seinem Vater zusammen. So wurde unsere Reise insgesamt ein Herbsturlaub der besonderen Art!

Der Reisebericht ist wieder ein Tagebuch, illustriert mit jeweils passenden Fotos dazwischen.

16. September: Unsere Abfahrt ging am frühen Morgen aus Darmstadt los. Meine Nichte war aus Magdeburg mit der Bahn am Vortag dorthin gekommen. Die Fahrt in die Dolomiten führte uns über Ulm, Pfronten und Innsbruck auf die Brenner-Autobahn und über Klausen bis ins Grödner Tal nach St. Christina. Dort sind wir gegen 15.30 angekommen, haben das Auto in der Garage vom Lift untergestellt, im „Jägerheim“ noch Kaffee getrunken und sind danach mit der Seilbahn zum Col Raiser hochgefahren. Von dort aus ging es wieder per pedes zur Regensburger Hütte. Wir haben unterwegs das sich vor unseren Augen öffnende, einmalig schöne Bergpanorama vom Puez-Geisler Naturpark mit seinen Felstürmen in der Nachmittagssonne genießen können. Dieses Begrüßungspanorama eröffnet dem Besucher sofort Herz und Seele.

Vertrauter Langkofelblick von der Regensburger Hütte am Ankunftstag, 16.9.

Vertrauter Langkofelblick von der Regensburger Hütte am Ankunftstag, 16.9.

Nach dem herzlichen Empfang durch meine Südtiroler Hüttenfreunde sind wir in unsere Kammern eingezogen. Die Hauptferienzeit war vorüber. Keine Schulklassen tobten mehr in den Lagern herum. Die Kühe und Kälber waren schon abgetrieben. Gottfried, der Senn, war mit ihnen ins Tal gezogen. Ihr Bimmeln war verstummt und wird mir fehlen. Irgendwie hat das immer zu den Besuchen in der Regensburger Hütte und zu meinen Wanderungen dort in der Bergwelt gehört. Es herrschte eine himmlische Stille hier oben in knapp über 2000 m Höhe. Nun waren eigentlich nur noch die „Bergweltgenießer“ und Stammwanderer unterwegs. Wir hatten ein gemütliches Abendbrot und langes Klönen mit der Hüttenfamilie.

17. September: In der Nacht hat es tüchtig geregnet, aber tagsüber wurde das Wetter besser. Wir brachen gleich nach dem Frühstück zu unserer ersten Wanderung auf über die vertrauten Wege bis zum Piera Longia Gebiet bei den Cisle Steinen. Von dort sind wir bis zur Pana Scharte hoch gelaufen und dann quer über die Troier Alm bis zur „Sofia“ Jausenstation. Nach einem Imbiss dort ging es weiter bis zum Cuca Sattel, zur Fermeda Hütte und wieder zurück zu unserer Hütte. Erst war es sehr dunstig. Wir standen fast in den niedrig dahinsegelnden Wolken. Aber als die Sonne durchbrach, hatten wir eine herrliche Fernsicht mit einem wilden Wolkenhimmel über uns. Und dazu die tollen Herbstfarben überall: Gold, gelb, orange, helles und dunkles Braun und dazu rot, gemischt mit dem Weiß und Grau der Wolken und dann noch, wenn die Wolken aufgerissen sind, mit dem Blau des Himmelsgewölbes über uns.

18. September: Leider hatten wir den ganzen Tag über durchwachsenes Wetter mit stürmischem Wind und ziemlich niedrigen Temperaturen. Dennoch sind wir zu Fuß bis nach St. Christina runter gelaufen und haben kleine Einkäufe (Zeitungen, Briefmarken und Postkarten) erledigt. Danach haben wir uns ein wenig in der Stadt umgesehen und sind dann noch bis zur Fischburg gelaufen.

Diese Burg wurde vom Graf zu Wolkenstein erbaut, der von 1566 bis 1647 lebte. Sie war bis Ende des 18. Jahrhunderts Sitz des Gerichts Wolkenstein. Ihr Name ist wohl der Tatsache geschuldet, dass um die Burg herum zahlreiche Fischweiher angelegt worden waren. Nachdem die Fischburg 1841 den Gemeinden Wolkenstein und St. Christian geschenkt wurde, verfiel sie. Baron Carlo Franchetti aus Venedig kaufte sie 1926, ließ sie restaurieren und stellte den Originalzustand wieder her. Sie gehört heute noch immer dieser venezianischen Adelsfamilie. Wir konnten die Burg nur von außen ansehen und beendeten unsere „Sightseeing“ Tour danach mit einem Eis im Hotel „Gardenia“. Mit der Kabinenbahn ging es dann wieder hoch bis zum Col Raiser und von dort zurück zur Hütte.

19. September: Es wurde ein herrlicher Wandertag bei Sonnenschein und guter Fernsicht. Nach dem Frühstück sind wir erst bis zum Cuca Sattel gelaufen und dann zum Gipfelkreuz vom Pic Berg hochgestiegen. Das alte, geschnitzte Kreuz dort oben war ja bei einem Gewitter durch einen Blitzeinschlag zerstört worden. In der Zwischenzeit hatte man es aber restauriert, teilweise erneuert und wieder aufgebaut. Wir haben total allein von oben die Aussicht genossen, unsere mitgenommenen Äpfel gefuttert und sind nach einer langen Pause abgestiegen bis nach St. Christina. Von dort ging es wieder mit der Seilbahn hoch zum Col Raiser und zu Fuß bis zu unserer Hütte.

20. September: Auch dieser Herbsttag wurde sehr schön, obwohl es morgens noch recht windig und frisch war, aber das ist ja gutes Wanderwetter, wenn es nicht zu sehr stürmt. Wir sind durch das Wasserrinnental und von dort in einem großen Schlenker bis zur Piera Longia mit den Cisle Steinen gelaufen und dann quer über die Troier Alm bis zur „Sofia“. Der Troier Wirt ist beim Sanieren seiner Hütte, deshalb konnten wir dort nicht einkehren. In der „Sofia“ Hütte wollten wir uns eigentlich gemütlich niederlassen und ausruhen, aber dann kam ein heftiger Sturm auf, der uns mehr oder weniger von dort vertrieben hat. Wir waren froh, dass wir ohne Unfall bis zu unserer Hütte zurückgekommen sind, denn bei Sturm wandern in den Bergen auf den schmalen Pfaden an steilen Hängen kann gefährlich werden.

21. September: Nach dem Frühstück sind wir nach St. Christina runter gelaufen, haben das Auto aus der Liftgarage geholt und sind über das Sellajoch bis zur Pordoi Seilbahnstation gefahren. Von dort ging es mit der Kabine bis zur Pordoispitze hoch. Oben sind wir ein Stück über das Sella-Hochplateau gewandert. Leider hingen die dicken Wolken so tief, dass es keine Fernsicht gab. Aber auch ohne weite Ausblicke hat sich die Tour voll gelohnt. Man ist dort oben von einer wunderschönen Bergwelt umgeben. Das Marmolata Massiv, der Langkofel und Plattkofel liegen wie ausgebreitet vor einem. Die Schluchten der Sella, in die man hineinblicken kann sind furchteinflößend. Mit der Seilbahn ging es wieder zurück zur Pordoi Station und nachmittags aus St. Christian per Kabinenlift bis zum Col Raiser und von dort zu Fuß zur Hütte zurück.

22. September: Ein sonniger Tag erfreute uns. Wir sind bis zum Einstieg in den westlichen Klettersteig auf den Sas Rigais in der Mittagsscharte hoch gelaufen, von dort unterhalb der Fermeda Türme bis zu den Cisle Steinen und zur Pana Scharte und haben dann in der „Sofia“ den Rest des Tages in der Sonne sitzend verbracht, uns einfach nur ausgeruht und die Seele baumeln lassen.

23. September: In der Nacht hat es ein heftiges Gewitter mit viel Regen gegeben. Morgens hingen noch ziemlich dichte Wolken in den Bergen, und es war recht kühl geworden. Dennoch sind wir losgewandert und zwar heute die Piz Scharte hoch bis zur Stevia Hochfläche. Beim Stevia Hüttenwirt sind wir eingekehrt und haben seinen fantastischen Kaiserschmarrn mit Spinat gegessen. Es ist bei ihm immer super gemütlich in der Hütte. Wir hätten da stundenlang sitzen bleiben können. Der Wirt war außerdem an allem interessiert. Von den Montagsdemonstrationen in der DDR, auch in Magdeburg, berichteten wir und über den friedlichen Aufstand der Menschen („Wir sind das Volk“), der letztendlich zur Wiedervereinigung unseres Landes geführt hat. Danach sind wir über die Sylvesterscharte abgestiegen und zurück zur Hütte gelaufen.

24. September: Morgens hat es wieder geregnet. Ab 2000 m ist der als Schnee runtergekommen. Mittags war dann aber wieder herrliches Wetter mit einer sehr schönen Fernsicht. Nach dem Frühstück hat uns Bruno mitgenommen nach St. Christina. Von dort sind wir mit dem Auto nach St. Ulrich gefahren. Wir waren bei meinen Freunden dort zum Mittagessen eingeladen worden. Hinterher besuchten wir das sehr interessante Museum der Stadt. Danach gab es noch Kaffee und Eis im „Gardenia“ in St. Christina. Das Auto wurde wieder abgestellt, und zurück ging es auch wie immer (Seilbahn + Fußmarsch zurück zur Hütte). Der Tag endete mit einem märchenhaft schönen Sonnenuntergang.

Abendstimmung mit Mondsichel, 24.9.

Abendstimmung mit Mondsichel, 24.9.

25. September: Über Nacht ist es sehr kalt geworden (nur +4°C morgens!). Wir sind bis zu den Cisle Steinen gewandert nach dem Frühstück, von dort bis zur „Sofia“ gelaufen, zum Seceda Kruzifix hochgestiegen und danach aber gleich zurück zu unserer Hütte gelaufen. Obwohl es tagsüber sonnig wurde, war es uns beim Wandern einfach zu kalt geworden. In der Hütte begann das Packen und Abschiednehmen von allen.

26. September: Mit Bruno sind wir frühmorgens gleich nach dem Frühstück bis zur Seilbahnstation in St. Christina runter gefahren. Dort holten wir das Auto aus der Garage. Wir sind dann von hier aus zunächst bis nach Brixen und von dort zum Kloster Neustift gefahren. Das wollte ich meiner Nichte unbedingt zeigen.

Neustift liegt nur etwa 5 km von Brixen entfernt. Das Kloster wurde 1142 durch den ehemaligen Bischof Hartmann von Brixen als Stift der österreichischen Augustiner-Chorherren gegründet. Die Klosteranlage gilt als die größte in ganz Tirol und umfasst alle Epochen der Kunstgeschichte von der Romanik bis zum Rokoko. Über die Jahrhunderte, vor allem in der Barockzeit wurde viel an- und umgebaut. In der Stiftskirche Unserer Lieben Frauen gibt es prachtvolle Fresken und viele andere Pretiosen. Neustift ist heute noch ein lebendiges Kloster mit reger Weiterbildungstätigkeit und verfügt dazu noch über eine renommierte Weinkellerei.

In Brixen besuchten wir Mizzi, Viktors Frau von der Regensburger Hütte, die dort im Krankenhaus lag nach einem Sturz in der Hütte, bevor wir uns auf den Weg ins österreichische Gschnitztal machten, wo wir im Gschnitzer Hof am späten Nachmittag ankamen. Den ganzen Tag über und auch in den Tagen danach hatten wir gutes Wetter, sodass wir auch in dieser schönen Alpenecke viel wandern und dabei auch viel entdecken konnten.

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